Eyne Reyse in das sydliche Frankenreych

Die Leiterreise hätte für mich nicht grandioser beginnen können: Während die andern Leiter aus unserer Luxusschweiz starten durften, musste ich ganz allein meinen Weg aus den Tiefen des Frankenreichs, der gefährlichen auvergnatischen Vulkanlandschaft mit ihren barbarischen Cantal-Stinkekäse-Fressern, herausbahnen. Als erstes ist nach 2km Fahrt das GPS ausgestiegen, denn es hatte nicht genügend Akku. Typisch für einen Jungschärler wie mich ist natürlich, dass er nicht richtig mit so Technik-Krimsch-Kramsch umgehen kann, dafür mit Karten. Eine Karte hatte es im Auto jedoch auch nicht (am Ziel angekommen, habe ich dann herausgefunden, dass es eben doch eine gehabt hätte). Jedenfalls bin ich die 350+km mit einem Post-It als Navigationshilfe gefahren. Das nennt man dann einen Long-Distance-Pfadfinder oder eben kurz Jungschärler! Soll mir noch Einmal Einer die Frage stellen, wofür Kartenkunde und Orientierung gut sein sollen, hütet euch.

Ich kam also pünktlich in Voiron an, von wo ich mit dem Rest der schönsten der besten Leiterbande nach Süden weiterzog. Wir hatten damals noch keine Ahnung von den Schrecken und von den bösen Mächten, die uns im Süden Frankreichs erwarten würden.

In der wilden sumpfigen Ardèche mussten wir uns gegen fürchterliche Französische Flusskrokodile (Crocodylus Gallicus) behaupten. Als wir, erschöpft von den ermüdenden Strapazen des Flusskanufahrens, auf einer Flussinsel ausruhen wollten, schwamm unten im Fluss eine solche Bestie lässig an uns vorbei. Wir waren zuerst etwas eingeschüchtert und hofften, dass das Cocodrillo uns nicht gesehen oder gerochen hatte. Als wir wieder in die Kanus gestiegen waren und losfahren wollten, merkten wir bald, wie falsch wir gelegen hatten. Das Flusskrokodil hatte sich versteckt und kam jetzt auf uns los. Ravioli stürzten (Word-Korrektur! J) sich auf das Flussungeheuer und die beiden hatten einen unerbittlichen Kampf. Das war nicht so lecker anzusehen. Wir andern paddelten so schnell wir konnten und steuerten auf die andere Flussseite zu, wo wir, bei den Felswänden angekommen, diese erklommen uns so dem Biest zu entkommen hofften. Wir waren offensichtlich zu wenig informiert, denn die Tiere können tatsächlich klettern! Dass die Französischen Flusskrokos Wände hochklettern können ist so eine Eigenart, die ihnen das Überleben in unseren Breiten ermöglich hat, eine Kuriosität der Evolution. Die Entwicklung dieser Fähigkeit begann schon zur Zeit der Phönizier und Ägypter, als damals schon die vorgallische Tourismusindustrie blühte und man die Ardèche in Kanus hinunterfahren konnte. Jedenfalls machten die Flusskrokodile bereits damals auf unachtsame Touristen Jagd. Als wir also sahen, dass uns das Krokodil die Wand empor folgte, entschlossen wir uns aus einer Höhe von bereits über 50m hinunter zu springen. Das tat zwar höllisch weh, aber es ist immer noch besser, als von so einem lebenden Fossil gebissen zu werden. Zum Glück hat uns den Sprung das Fossil nicht nachgemacht, wir wären verloren gewesen. Wieso es den Sprung nicht wagte, liegt daran, dass Krokodile beim ins Wasser Springen immer bäuchlings landen, da sie aufgrund ihrer kurzen Gliedmassen in der Luft ihr Gewicht nicht so gut wie Menschen (oder auch Katzen) verlagern können. Nachdem wir uns vom halsbrecherischen Sprung erholt hatten, packten wir uns unsere Kanus und konnten endlich die Weiterfahrt antreten. Das Flusskrokodil hatten wir überlebt.

Die Nacht verbrachten wir auf einem Biwakplatz etwas oberhalb des Flussniveaus. Das verlief relativ ruhig, einmal ungeachtet der Wildschweine, die bei anderen Gruppen die Vorratstonnen – jede Person darf eine wasserdichte Vorratstonne mit auf die Ardèche nehmen, in welcher Proviant und Schlafsack usw. aufbewahrt wird – aufzuschliessen versuchten, indem sie wie wild (Wildschweine, haha!) an diesen rissen und sie durch die Luft schleuderten. Nach einer Stunde war der Spuk aber schon wieder vorbei. Zuerst wollten die Wildschweine auch zu uns kommen, aber Zwerbu beschwur sie: „Isch mags nischt, wenn ihr mid Donne schmeise dud!“ und die Vierbeiner suchten sich so andere Opfer.

Am nächsten Morgen wurden wir von einem Killer-Armee-Kinder-Ausbildungs-Camp geweckt, dass beim Frühstücken und anschliessendem Aufbrechen einen Riesenradau veranstaltete. N’scho-tschi bemerkte noch im Halbschlaf: „Oh, der süss-säuselnde Klang wild schreiender Kinder am Morgen früh, wenn man noch nicht genug geschlafen hat. Da kommen Heimatsgefühle auf! Soooo schön!“

Der Rest der Fahrt auf der Ardèche verlief ohne weitere Zwischenfälle. Vom Rudern hatten wir allesamt Oberarme wie Rambo oder auch Schwarzenegger bekommen. Das sieht besonders bei den Leiterinnen sehr attraktiv aus.

Am Fischmarkt in Cassis wurden Schwertfische und Haie verkauft, Tonnen von Muscheln und sogar Delphinfleisch wird feilgeboten. Die Fischkutter waren am frühen Morgen erst wieder zum Hafen gefahren, nachdem sie die ganze Nacht auf See verbracht hatten. Fisch von der Vollmondfischerei soll für dasselbe gut sein, wie in China Rhinozeroshornpulver. Im Piratenquartier wurden neue Matrosen angeheuert und die etwas anderen Waren gehandelt – oft auch unter dem Tisch. Es ist unglaublich, wie penetrant Piraten stinken, wie viele von ihnen wie furchteinflössender Abschaum der Menschheit aussehen. Sie saufen, sie rülpsen, grölen einem ins Gesicht, fluchen und spucken. Und sie sind voller Lebensfreude, das muss man ihnen lassen!

Während wir in Cassis waren, unternahmen einige von uns eine Schifffahrt, die auf das Meer hinausführte. Wir fuhren der Küste entlang in Richtung Marseille und besuchten neun Calanques zwischen Cassis und Marseille (Eine Calanque ist ein enger, steilwandiger Küsteneinschnitt im Kalkgestein des Mittelmeeres. Eine solche Bucht hat einen fjordartigen Charakter), unter anderen auch die Calanque de Morgiou, in der wir am Tag zuvor baden waren. Ein wunderbares Erlebnis, wenn Fanta nicht beinahe ihr Bein an so einem blutroten glubbrigen blutrünstigen Meeresirgendetwas verloren hätte. In Cassis gingen wir auch einmal auswärts essen. Das war leckeeer!

Unser letzter Halt war am Lac de Sainte-Croix, wo wir unsere Schwimmkursreise mit dem Modul „Seeschwimmen“ beenden würden, nachdem wir gelernt hatten, wie man in Flüssen und im Meer schwimmen tut. Das Modul Seeschwimmen warfen wir indes über Bord und machten stattdessen eine lässige Pedalofahrt flussaufwärts zu einem wunderschönen Wasserfall. Auf der Rückfahrt trafen wir Nikita & Lara Croft, die in ihrem Kanu mit unserer Tagesration französischen Flusskangurufleisches flüchten wollten. Wir machten sogleich Jagd auf die beiden Bösewichtinnen und konnten sie glücklicherweise an der Flussmündung stellen, durchkentern und ihr Kanu entern. Gefesselt und geknebelt haben wir die eine Eskortiert und am anderen Seeufer auf dem Sklavenmarkt verkauft. Die andere hatten die Frauen entführt und sie mitten im See ohne Ufer in Sichtweite ins Wasser ihrem Schicksal überlassen. Sollte sie doch die 20km selbst zurückschwimmen.

Nach einer erlebnisreichen Woche voller Eindrücke in Sydfranenkreych kehrte das Leiterteam der Bornfüchse wieder zum Heimathafen an die Feldstrasse.

(Ab „pünktlich“ ist einiges pompös übertrieben, aber die Eckpunkte stimmen ungefähr. Das mit dem französischen Flusskrokodil, das ist allerdings ganz genau wie beschrieben passiert!)

Euer Taifun

PS: Falls ihr jemals nach Südfrankreich gehen solltet, achtet euch auf Folgendes: „Pas d’mains, pas d’chocolat!“